12. Tag: Portsmouth (RI) — Provincetown (MA), Cape Cod: 235 km
Wir kochen uns einen Kaffee auf dem Zimmer und essen den restlichen Käse von gestern abend. So sparen wir uns mal wieder die Ausgaben für ein Frühstück.
Über die Interstates 195 und 495 erreichen wir den Highway 6 und fahren bei Sagamore über die Brücke auf die Halbinsel Cape Cod. Zwei kleinere Factory Outlets wecken unsere Aufmerksamkeit, und wir geben erst ‘mal ein bißchen Geld aus. Statt über den Highway 6 zu fahren, wählen wir die landschaftlich reizvollere Alternative, den Highway 6 A. In Dennis fahren wir Richtung Beach ab und unternehmen einen Strandspaziergang. Nächster Stopp ist das Cape Cod National Seashore Visitor Center, wo wir ebenfalls einen kleinen Walk machen.
In Provincetown müssen wir ein wenig suchen, bis wir unser Motel, das Best Western Tides Beachfront Motor Inn (79 USD/Nacht), finden. Es liegt etwas außerhalb am östlichen Ende des Ortes. Wie wir feststellen, wäre eine Reservierung hier nun wirklich nicht erforderlich gewesen. Auf Cape Cod herrscht Nachsaison. Mittlerweile ist es recht windig geworden, was den störenden Effekt hat, dass ein vor unserem Zimmer angebrachtes Stromkabel sehr störende Klappergeräusche von sich gibt. Da wir eine unruhige Nacht befürchten, lassen wir uns ein anderes Zimmer geben und ziehen mit Sack und Pack um.
Mit dem Auto fahren wir zum nordwestlichen Zipfel der Insel. Viel gibt es jetzt nicht mehr zu sehen und zu einem weiteren Strandspaziergang haben wir keine Lust. Im Sommer ist es hier bestimmt sehr schön, aber auch wahnsinnig voll, wie wir uns angesichts der großen Parkplätze ausmalen können. Anschließend bummeln wir durch den netten Ort Provincetown, der während der Saison hoffnungslos überlaufen sein muß. Jetzt hält sich der Rummel in Grenzen, obwohl immer noch ziemlich viele Menschen unterwegs sind. Diese Woche ist hier “Lady’s week”, was wohl gleichbedeutend mit “Lesben-Woche” ist, denn es begegnen uns viele händchenhaltende weibliche Paare. Zum Abendessen fahren wir in ein in der Nähe unseres Motels gelegenes Restaurant, das “Michael Shay’s Seafood”. Wie der Name vermuten läßt ist Fisch hier die Spezialität, und wir werden nicht enttäuscht.
13. Tag: Provincetown — Boston: 234 km
Da wir gestern abend so zufrieden waren, gehen wir auch zum Frühstück zu “Michael Shay’s Seafood”. Danach machen wir uns auf die letzte Etappe unserer Reise Richtung Boston. Wir verlassen Cape Cod über den Highway 6 und wechseln hinter Sagamore auf den Highway 3 (North). Nach 1 ½ Stunden Fahrt erreichen wir die Plymoth Plantation. Wir kaufen uns zwei combination tickets (je USD 19), dass für die Besichtigung von Plymoth Plantation und der Mayflower II gilt.
Plymoth Plantation ist die Nachbildung des ersten Dorfes, dass die Pilgrim Fathers im Jahre 1627 gegründet haben. Die Illusion ist wirklich perfekt, und man fühlt sich tatsächlich ins 17. Jahrhundert zurückversetzt, wenn man über die Dorfstraße bummelt.
Dazu tragen nicht zuletzt Schauspieler bei, die mit Ihrer Kleidung und Sprache exakt jener Zeit entsprechen. Wir gehen in jedes Haus hinein und schauen den Menschen bei ihrer Arbeit zu. Bereitwillig geben sie Auskunft über ihr Leben und ihr Tun, wobei sie ihre Rolle perfekt gelernt haben. Es sind viele Schulklassen hier, die so Antworten auf ihre im Unterricht vorab festgelegten Fragen erhalten. Es ist ganz lustig zu beobachten, wie sich die Kinder schwer tun, ihre Scheu vor diesen so fremden und seltsamen Menschen zu überwinden.
Wir verbringen etwa zwei Stunden auf der Plymoth Plantation, zu der auch noch “Hobbamock’s Homeside”, eine nachgebildete Indianer-Siedlung aus dem 17. Jahrhundert gehört.
Anschließend fahren wir in das 5 km entfernte Plymouth. Nach einem kleinen Lunch bei Mc Donald’s besichtigen wir die “Mayflower II”, eine originalgetreue Nachbildung des Schiffes mit dem die Pilgrim Fathers 1620 in Plymouth Rock an Land gingen. Die Überfahrt von der englischen Hafenstadt Plymouth nach Amerika dauerte damals 3 Monate und 5 Tage.
Bei der Besichtigung des Schiffes wird einem bewußt unter welchen beengten Verhältnissen die 102 Passagiere diese lange Seereise zu überstehen hatten. Auch hier sorgen verkleidete Schauspieler dafür, dass man sich in die damalige Zeit zurückversetzt fühlt.
Nach einem kleinen Bummel durch Plymouth machen wir uns auf das letzte Stück unserer heutigen Etappe und erreichen um 15:30 Uhr Boston. Bei der Suche nach unserem Motel verfahren wir uns gründlich und befinden uns plötzlich zu unserem großen Erstaunen bereits in Cambridge. Wir verirren uns immer mehr und benötigen 1 ½ Stunden, bis wir schließlich ziemlich entnervt unser Motel finden. So haben wir uns in den USA noch nie verfahren. Da Boston nicht wie die meisten amerikanischen Städte im Schachbrettmuster angelegt ist, fällt die Orientierung mit dem Auto nicht leicht. Ich kann jedem nur raten, Boston ohne Auto zu besichtigen.
Mit unserem Motel, dem Best Western Terrace Inn (US$ 109/Nacht), sind wir zufrieden. Es liegt zwar ziemlich außerhalb, ist aber dank der vor der Tür haltenden Straßenbahn optimal an die Innenstadt angebunden. Zu Fuß kann man bequem mehrere Restaurants erreichen;
u.a. ein thailändisches, ein spanisches und ein mexikanisches. Keine Frage, wofür wir uns entscheiden: das 10 Minuten entfernte “El Phoenix” ist zwar nur spärlich besucht, bietet aber leckere mexikanische Küche, wie wir sie in diesem Urlaub noch nicht bekommen haben.
14. Tag: Boston: 0 km
Wir geben uns mit dem kargen Continental Breakfast im Motel zufrieden und fahren anschließend mit der Straßenbahn/U-Bahn in die Stadt. Der Fahrpreis beträgt lediglich 85 Cents. Man kann beim Fahrer bezahlen, braucht aber passendes Geld. Es wird grundsätzlich nicht gewechselt. Im U-Bahn-Bereich gibt es Automaten oder auch Schalter, wo man sich sogenannte Wir steigen an der Station “Boylston” aus und folgen von hier dem “Freedom Trail”, ein 4,8 km langer Weg, der an den historischen Sehenswürdigkeiten von Boston vorbeiführt. Der Weg ist durch eine rote Linie auf dem Bürgersteig markiert, die an einigen Stellen allerdings schon etwas verblaßt ist.
Zum Lunch landen wir in einem urigen Pub gleich um die Ecke vom “Ye Olde Union Oyster House”, dem ältesten Restaurants Bostons. Neben uns sitzt ein deutsches Ehepaar, das heute abend nach Hause fliegt. Die beiden haben schon eingecheckt und lassen sich als Vorspeise ihren letzten Hummer in Neuengland schmecken. Die Viecher sind hier wirklich spottbillig. Interessiert schauen wir zu, wie die beiden den Scherentieren zu Leibe rücken.Tokens kaufen kann, mit denen man die Sperren passiert. Ist schon eine Wissenschaft für sich. Gut, dass wir keinen bestellt haben. Das wäre wohl nie gut gegangen.
Nach Verlassen des Pubs stehen wir plötzlich vor einem Holocaust-Denkmal. Nach der Berliner Mauer in Portland werden wir so zum zweiten Mal auf unserer Reise mit den dunklen Seiten deutscher Geschichte konfrontiert. Wir lesen die Inschriften und sind wieder einmal fassungslos darüber, dass so etwas in unserem Land vor nicht einmal 60 Jahren passieren konnte.
Wir setzen unseren Bummel fort und kommen an die Waterfront. Hier wird unheimlich viel gebaut. Wie wir erfahren, soll die alte Hochstraße abgerissen werden und einem Tunnel weichen. Das ganze wird dann begrünt und die Innenstadt rückt ans Wasser. Wir können uns gut vorstellen, wie sehr dies die Attraktivität von Boston erhöhen wird. Ein ähnliches Projekt wurde vor einigen Jahren in Düsseldorf verwirklicht und hat die Altstadt zurück an den Rhein gebracht. In Boston dauert es noch bis 2004, bis es soweit ist. Wer die Stadt heute besucht, muß sich leider auf viele Baustellen gefaßt machen.
Kurz entschlossen setzen wir uns in die U-Bahn und fahren rüber nach Cambridge. An der Harvard University steigen wir aus und laufen über den berühmten Campus. Sehr viel können wir dem aber nicht abgewinnen und sitzen schon bald wieder in der U-Bahn zurück nach Boston. An der Station “Charles Street” steigen wir aus und laufen durch den sehr schönen Stadtteil Beacon Hill. So ein Stadtbummel macht ganz schön durstig. Ein Bier wäre jetzt genau das richtige. Also auf in den “Bull & Finch Pub” (Cheers) in der Beacon Street. Das Lokal verdankt seine Berühmtheit der amerikanischen Fernsehserie “Cheers”, in der der Pub gezeigt wird. So ist es für amerikanische Touristen ein Muß, sich vor dem Pub ablichten zu lassen. Obwohl es erst 17:00 Uhr ist, ist der Laden gerammelt voll. Mit Mühe ergattern wir noch einen Stehplatz in der Nähe der Theke und lassen uns ein Samuel Adams vom Faß schmecken. Angesichts des Preises von knapp 5 USD pro Glas, was bei derzeitigem Dollarkurs fast 10 DM entspricht, lassen wir es aber bei dem einen bewenden.
Zum Abendessen ist es noch zu früh, und wir haben keine Lust die Zeit, bis wir Hunger bekommen, in der Stadt totzuschlagen. Also beschließen wir, zurück ins Hotel zu fahren und wieder zum Mexikaner zu gehen. So geraten wir in die Rush-Hour und erleben, dass es auch in Boston kein Vergnügen ist, in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen.
15. Tag — Boston — Salem -. Boston Airport: 102 km
Bis zu unserem Rückflug heute Nachmittag bleiben uns noch ein paar Stunden Zeit. Wir entfliehen dem Großstadtrummel und fahren nach Salem, das ca. 30 km nord-östlich von Boston liegt. Eigentlich ist es ganz leicht dorthin zu finden, aber Elke mit der Karte auf dem Beifahrersitz schickt mich dann doch auf eine Ehrenrunde. Orientierung in und um Boston scheint wirklich nicht unser Ding zu sein.
In Salem frühstücken wir erst mal und bummeln dann durch die sehr schöne Fußgängerzone. In diesem Ort dreht sich alles um Hexen, denn hier haben im Jahre 1692 Hexenprozesse stattgefunden. Natürlich läßt sich so eine Vergangenheit glänzend vermarkten und diverse Hexenmuseen buhlen um die Gunst der Besucher. Das Angebot ist ziemlich verwirrend und wir landen schließlich im “Witch History Museum”. Für die 5 US$ Eintritt hätten wir gestern im Pub besser noch ein Samuel Adams getrunken. Zunächst erzählt uns ein Mädel etwas über die damalige Hexenverfolgung. Das tut sie mit einem dermaßen fürchterlichen Slang, dass wir bald keine Lust mehr haben uns auf´s Zuhören zu konzentrieren. Anschließend wird die ganze Gruppe an verschiedenen Szenen vobeigeführt, in denen die Geschichte mit Puppen nachgestellt wird. Dazu gibt es Dialoge vom Tonband. Auf uns wirkt das Ganze ziemlich kitschig.
Wir verlassen Salem und fahren in das nur wenige Kilometer entfernte Marblehead, einer netten kleinen Ortschaft am Meer. Hier laufen wir noch etwas herum und genießen auf einer Bank im Hafen die warme Herbstsonne. Dann machen wir uns auf zum Flughafen. Die Rückgabe des Mietwagens gestaltet sich schnell und unkompliziert, so wie wir es in den USA gewohnt sind. Wesentlich länger hingegen dauert die Fahrt mit dem Hertz-Shuttlebus zu unserem Abflugterminal. Wgen der Bauarbeiten rund um den Flughafen kommt es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Die Zeit bis zu unserem Abflug vertreiben wir uns mit einem späten Lunch im Flughafenrestaurant. Der Flug nach London-Heathrow dauert lediglich 6 Stunden. Hier haben wir dann drei Stunden Aufenthalt, bevor es pünktlich nach Düsseldorf geht. Ein Flughafenwechsel ist diesmal zum Glück nicht erforderlich.
Fazit
Neuengland ist mit Sicherheit eine Reise wert. Allerdings ist es nicht so spektakulär wie andere Teile der USA, insbesondere der Westen und der Südwesten. Es eignet sich daher für Reisende, die die Höhepunkte der USA schon kennen und nun nach anderen Zielen Ausschau halten. Die schönste Reisezeit ist auf jeden Fall der Herbst, wenn die Bäume in bunten Farben glühen. Leider hatten wir auf unserer Reise nicht immer Glück mit dem Wetter, und auch die Laubfärbung war wohl nicht so intensiv wie sonst üblich. Schuld daran war der zu trockene Sommer.
Zwei Wochen sind eine ausreichende Zeit für diese Reise. Ich würde jedoch empfehlen, auf den Acadia Nationalpark und Cape Cod zu verzichten und die dadurch gewonnenen Tage in den White Mountains, den Berkshires oder den Adirondacks dranzuhängen. Man kann es natürlich auch so machen wie unsere Urlaubsbekannschaft aus Wuppertal. Erst eine Woche mit dem Auto durch Neuengland und anschließend noch eine Woche Sonne an der Westküste (oder in Florida) tanken. Bei einer Woche Zeit sollte man sich auf die White Mountains und die Berkshires konzentrieren, wo die Chancen auf eine schöne Laubfärbung wohl am größten sind. In diesen Gegenden sollte man seine Unterkunft auf jeden Fall im voraus reservieren. An der Küste hingegen ist dies im Herbst nicht mehr erforderlich.
Neuengland ist — besonders im Herbst — kein billiges Reiseziel. Die Preise liegen deutlich über den “klassischen” Urlaubsregionen der USA, also Florida, dem Westen oder dem Südwesten. So haben wir beispielsweise für Übernachtungen in Neuengland rund 70 % mehr bezahlt als auf anderen USA-Reisen.
Was uns sonst noch auffiel: Neuengland entspricht so gar nicht dem typischen USA-Bild. Im Gegenteil: Landschaften und Orte erinnern vielmehr an Europa. Wer Ruhe und Beschaulichkeit sucht, der wird hier garantiert auf seine Kosten kommen. Auch auf gepflegte Gastlichkeit muß man hier nicht verzichten, vorausgesetzt man ist bereit, hierfür etwas tiefer in die Tasche zu greifen.
Wir würden uns freuen, wenn Euch unser Reisebericht Anregungen für den eigenen Urlaub vermitteln konnte.
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